Beratung als achtungsvolle wertschätzende Kooperation von kompetenten Kooperationspartnerinnen


Der Coach und seine Ideen
Im Rahmen des von uns veranstalteten „Praxislehrgang systemisch-lösungsorientiertes Coaching nach dem Wiener T-A-Z-A-Modell“ (dieser wird nun schon 20 Jahre lang ohne Unterbrechung in Wien durchgeführt – danke an alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer!) ist neulich die Frage aufgetaucht, inwieweit ein Coach (oder Psychotherapeut) eigene Ideen in die Beratung einbringen soll bzw. überhaupt „darf“.

Dies wurde im Rahmen der T-A-Z-A-Struktur beim zweiten A, dem Auftrag, thematisiert. Die „Leitfrage“ dabei an die Kundschaft ist: „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, damit Sie dieses Ziel erreicht haben werden?“

Hier geht es demnach um die Frage, welche Erwartungen der Kunde an die Coach hat, wie diese ihn bestmöglich auf dem Weg zur Zielerreichung (Erreichung des Ziels der Beratungseinheit) unterstützen kann. Oftmals äußert eine Kundschaft rasch diesbezügliche Vorstellungen (bzw. hat diese bereits im laufenden Gespräch eingebracht und wiederholt diese nunmehr), manchmal zeigen sich Kunden auf diese Frage hin auch verwundert und sagen dann etwa: „Das weiß ja ich nicht, das müssen Sie doch wissen, was Sie als Coach für mich tun können.“ Hier empfiehlt es sich, etwa wie folgt zu antworten: „Na da haben Sie recht – jetzt entscheiden Sie sich für ein Coaching und dann fragt die Beraterin auch noch, was ihr Job ist! Ich frage deshalb, weil manche Kunden mit konkreten Vorstellungen und Erwartungen kommen. Ich könnte Ihnen zum Beispiel anbieten…“.

Nach diesem freundlichen Begrüßen der Äußerung der Kundschaft sollten dann hilfreicherweise seitens des Coaches Angebote gemacht werden, beispielsweise „neue Perspektiven eröffnen“, „hinterfragen“, „ungewöhnliche Fragen stellen, die der Friseur nicht stellt“, „advocatus diaboli sein“, usw., um in der Folge wieder eine offene Frage an die Kundin zu stellen, welche Gedanken ihr jetzt nach dem Gehörten gekommen sind, wie eine hilfreiche Unterstützung aussehen könnte.

Manchmal bringt eine Kundschaft auch die Erwartung zum Ausdruck, die Coach möge ihre eigenen Ideen einbringen oder auch gute Ratschläge erteilen. Auch solche Wünsche bzw. Erwartungen sind kein Grund, um in – wie ich es nennen möchte – „systemische Panik“ zu verfallen und den Verlust der eigenen vielgerühmten Neutralität zu befürchten, denn im Sinne des Autopoiese-Konzepts können wir davon ausgehen, dass die Kundschaft ohnedies die oberste Autorität ist, die aus dem Angebot auswählt oder dieses auch ablehnt. Sie bestimmt also ohnedies die Bedeutung meiner Botschaft.

Wenn zwei Originale miteinander kooperieren
Wesentlich erscheint mir, dass ich als Berater mit der Kundin auf Augenhöhe kooperiere – und nicht etwa von oben herab mich als „Besserwisser“ zeige. Dies setzt die Haltung voraus, dass wir beide hochkompetente Originale sind. Alles, was ich anbiete, kann für den einzigartigen Menschen gegenüber niemals ein Wissen sein, sondern immer nur eine Hypothese. Mein Angebot ist keine hilfreiche Intervention. Klar, ich möchte eine hilfreiche Intervention anbieten, aber ob dies eine solche wird oder nicht, das bestimme nicht ich, sondern vielmehr die Empfängerin der Botschaft. „Gefüttert“ wird eine solche respektvolle wertschätzende Haltung durch Konzepte der Autopoiese und Selbstorganisation, durch die „Potenzialhypothese“, usw. Erkenntnistheorie kann jedoch nicht Haltung ersetzen, die in der Beziehungsgestaltung erlebbar wird. Auf der inhaltlichen Ebene kann ich also alles Mögliche anbieten, das ist nie ein Problem, der Inhalt eines Angebots darf aber nicht mit der Beziehungsgestaltung verwechselt werden.

Angebotszusammenhang, nicht Druckzusammenhang
Meiner Erfahrung nach ist es hilfreich, Ideen bzw. Hypothesen fragend bzw. suchend, manchmal auch „über Bande“ anzubieten – etwa: „Ich frage mich gerade….“; „Was wäre, wenn…“; „Nur so als Idee…“; „Wenn jemand, der Ihnen wohlgesonnen ist, sagen würde…“; usw. Nein, ich befürchte nicht, dass Kundinnen bei „instruktiver Kommunikation“ (die es ohnehin nicht gibt) plötzlich ihre Selbststeuerung über Bord werfen und genau das tun, was ich ihnen inhaltlich sage. Es geht mir darum, dass ein Dialog zweier Originale entsteht, eine Ich-Du-Beziehung, die aber nur dann entstehen kann, wenn ich mich einbringe, dabei aber die Unterschiedlichkeit des anderen einzigartigen Menschen und seine Autonomie respektiere.

Weil aber die Beziehung die tragende Basis darstellt ist es so wichtig, dass ich als Berater eine Umwelt für meine Kundin bin, die nicht einschränkt. Vielmehr bin ich dafür verantwortlich, alles zu tun, um – im Sinne Heinz von Foersters – die Anzahl der Möglichkeiten zu vermehren. Ich mag nicht riskieren, dass ein Kunde womöglich sich deshalb nicht Nein-sagend zeigt, weil er die Beziehung mit mir nicht gefährden möchte. Andererseits mag ich keinen Beitrag dazu leisten, dass eine Kundin nahezu Nein sagen „muss“, weil ich auf eine Art kommuniziere, die den Protest provoziert. Denn Kommunikation führt ja das Risiko des Protests mit sich.

Schlaftabletten-Umwelt oder Inspirations-Umwelt?
Lassen Sie uns als Berater also Gastgeber hilfreicher Gespräche von kompetenten Originalen sein. Dabei „dürfen“ wir auch unser Engagement einbringen und uns als Menschen zeigen. Denn unsere Arbeit ist Beziehungsarbeit und keine Technikstunde. Unsere Kundinnen „müssen“ erleben können, dass sie bedeutsam sind für uns – und dass wir uns für sie engagieren, sie unterstützen. Dieses Engagement ist übrigens auch für das eigene Wohlbefinden von großer Wichtigkeit und wesentliche Burnout-Prophylaxe. Wir sind als Coaches bzw. Psychotherapeutinnen jedenfalls für unsere Beiträge verantwortlich. Es obliegt uns die Entscheidung, ob wir eine Schlaftabletten-Umwelt sind, die wohl kaum Zuversicht vermitteln kann, oder aber eine für die Kundin inspirierende Umwelt. So kann dann Beratung auch den Beratern Freude und Spaß machen.


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