Großes Unternehmen, Gemeinschaftsküche auf der dritten Etage, es ist Montag acht Uhr morgens, sechs Kolleginnen bzw. Kollegen stehen um die Kaffeemaschine herum, müde Gesichter, gerötete Augen, lümmelnde Haltung – Sie und ich sind als unsichtbare stille Beobachter mit dabei:
Mitarbeiter 1: „Schon wieder Montag, das Wochenende war wieder einmal verdammt kurz.“ Mitarbeiterin 2: „Und heute gleich drei anstrengende Termine, na die Woche fängt ja gut an.“ Mitarbeiterin 3: „Das Schlimme ist ja, dass es nicht besser wird, morgen steht ja die Betriebsversammlung an – und nächste Woche erst!“ Mitarbeiter 4: „Ja, ich sag´s Euch, schlechter wird´s, immer schlechter und schlechter.“ Mitarbeiterin 5: „Ich hab´s läuten hören, dass es dem Unternehmen gar nicht gut gehen soll, was soll das noch werden?“ Mitarbeiter 6: „Es war ja erst in den Nachrichten, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist, da werden wir noch alle dumm aus der Wäsche schauen.“ Mitarbeiterin 2: „Und die Lohnerhöhung fällt auch schwach aus.“ Mitarbeiter 4: „Wenn wir überhaupt eine bekommen.“ Mitarbeiter 1: „Ich sag´s Euch, uns hier trifft´s schneller als wir heute noch glauben.“ Mitarbeiterin 5: „Und immer mehr Arbeit und Stress haben wir auch, ständig wird mehr und mehr verlangt, wie sollen wir das schaffen?“ Mitarbeiterin 3: „Und habt Ihr von den jüngsten Finanzskandalen gehört – die Welt steht bestimmt nicht mehr lang…“
Es erscheint Mitarbeiterin 7 mit einem Lächeln im Gesicht, grüßt die Kollegenschaft freundlich, nimmt sich einen Kaffee und sagt: „So ein schöner Herbsttag – es ist eine Freude!“ Mitarbeiterin 2 fragt mit misstrauisch gehobener rechter Augenbraue: „Was bist Du denn so gut gelaunt in aller Hergotts Frühe?“ Daraufhin Mitarbeiterin 7: „Ja die Sonne scheint, es geht uns gut und ich freu mich schon auf die Arbeitswoche – was brauche ich mehr?“ – Sagt´s und geht pfeifend aus der Küche.
Statement von Mitarbeiter 4: „Na die hat leicht pfeifen, die hat´s ja gut!“ Mitarbeiter 6: „Die hat sich´s ja auch gut gerichtet hier herinnen, die schon.“ Und weiter drehen sich unsere Sechs wie die hypnotischen Augen der Schlange Kaa aus dem „Dschungelbuch“. Betörend kann so eine Negativspirale sein, fesselnd und nicht enden wollend…
Sie können es ausprobieren (vor dem Funktionieren wird gewarnt!): Beobachten Sie sich und/oder Ihr Umfeld so lange, bis Sie etwas finden, das Sie stört. Sprechen Sie in der Folge mit anderen Menschen darüber und geben Sie acht, dass diese ebenfalls ausschließlich über Störendes sprechen (ersticken Sie jede positive Äußerung im Keim, indem Sie umgehend abschwächen, relativieren oder gleich negativ umdeuten). Versuchen Sie in der Folge, weitere Menschen in diesen „hypnotischen Negativstrudel“ einzuladen,… – und chronifizieren Sie damit Negativsprialen. Und sie werden sehen: Das Leben kann die Hölle sein, wenn man sich nur genug anstrengt.
Literaturtipp (ein Evergreen): „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick. Empfehlen kann ich auch „Die Geschichte mit dem Hammer“ (Video).
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