…darf sich bekanntlich nicht wundern, wenn jemand den Traktor direkt hinein steuert. Und wer Einladungen ausspricht? Nun, der darf nicht ungehalten sein, wenn diese auch angenommen werden. „Ja klar – und weiter?“ höre ich Sie gerade denken. Vielleicht kann ich Ihnen ein paar Beispiele nennen, um das oben Geschriebene zu erhellen, denn manchmal kommen Einladungen nicht ganz so explizit daher, kommt das Offensichtliche verkleidet und mit Tarnkappe bei der Tür herein, ist der Einladenden ihr Tun selbst nicht ganz klar…
Beispiel 1: „Seit wann hast Du das Problem schon?“
Folgenden Wortwechsel durfte ich am Rande einer Konferenz erlauschen: Konferenzteilnehmer A: „… und seit wann hast Du das Problem schon?“. Konferenzteilnehmerin B: „Nun, da muss ich weiter ausholen – alles begann im Jahr 1991, als…“. Gut eine Viertelstunde später unterbricht A den unaufhörlichen Redefluss von B nach vier wirkungslosen Versuchen schlussendlich erfolgreich und meint – bevor er sich abwendet und das Weite sucht: „Du ziehst mich ja hinunter mit Deinen Erzählungen, Du musst schon zukunftsorientiert denken – sonst wird das nichts!“.
Beispiel 2: „Wann war/ist das Problem am schlimmsten?“
Unlängst im Wartezimmer meines Hausarztes durfte/musste ich folgendem Gespräch beiwohnen: Wartende 1: „Und wann ist das Problem am schlimmsten?“. Wartender 2: „Am schlimmsten ist es, wenn er wieder einmal faul ist und so gar nichts tut für die Schule, wenn er mit seinen Freunden weggeht, diesen Taugenichtsen da aus der Nachbarschaft, wenn er dann seine Hausübungen nicht macht und sich dann im Kaffeehaus herumtreibt, anstatt in die Mathematikstunde zu gehen,…“. Wartende 1, etwa zehn Minuten später: „Na da hilft es auch nicht, wenn Du Dich beklagst, da musst Du endlich handeln und nicht lange herum reden!“.
Beispiel 3: „Warum haben Sie das nicht früher erkannt?“
Neulich beim Friseur bin ich Zeuge folgenden Wortwechsels geworden: Kunde A: „Warum haben Sie das nicht früher erkannt, dass Ihr Nachbar ein Hallodri und Störenfried ist, der Ihnen nur Kummer bereiten kann mit seiner Art?“. Kundin B: „Na weil man das ja nicht wissen kann, wenn man jemanden nur hin und wieder im Stiegenhaus trifft.“. Kunde A: „Warum haben Sie da nicht viel eher die Zeichen erkannt, so wie der angezogen ist, wie der redet und so?“. Kundin B: „Ja, weil ich halt an das Gute im Menschen glaube!“. Kunde A, etwa zehn Minuten später: „Warum sind Sie denn so naiv – in Ihrem Alter? Jetzt tischen Sie mir nicht dauernd Ausreden auf, sondern unternehmen Sie endlich etwas!“.
Beispiel 4: „Wer leidet noch darunter?“
Und dann habe ich vor kurzem im Kaffeehaus noch folgenden Dialog mitbekommen: Gast 1: „Sagen Sie, wer ist noch von diesem Problem betroffen?“. Gast 2: „Ja, das ist es ja eben – ganz viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!“. Gast 1: „Und wer leidet am meisten darunter?“. Gast 2: „Am ärmsten ist das Sekretariat. Was die alles mitmachen, das müssen Sie sich einmal vorstellen. Da ist zunächst einmal…“. Gast 1, etwa 20 Minuten später: „Na hören Sie, Sie können mir ja jetzt nicht jedes noch so kleine Detail schildern, das irgendwen belastet, da sind wir ja morgen noch nicht fertig!“.
„Problemhypnose“ oder „Lösungstrance“ – Impulse von Fragestellern
Die angeführten Fragen stellen eine kleine Auswahl von Einladungen an ein Gegenüber dar, möglichst genau und umfassend in eine sogenannte „Problemhypnose“ einzutauchen, die Vergangenheit ganz genau zu explorieren, das Terrain der Misserfolgshistorie eingehend zu beschreiten. Einmal ausgesprochene Einladungen lassen sich kaum zurücknehmen, ohne die Beziehung zu belasten bzw. zu stören. Solche ungünstige Auswirkungen problemzentrierter Fragestellungen sollten potenzielle Gastgeberinnen von hilfreichen Gesprächen antizipieren.
Denn Fragen formen in erheblichem Maße mögliche Antworten vor – ganz unwillkürlich, ob der Fragesteller will oder nicht. Gerade Coaches und Führungskräften sollte klar sein, welche Impulse von ihren Fragen an Kundinnen bzw. Mitarbeiter ausgehen. Problemhypnose oder Lösungstrance – wohin richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit und welcher Anteil kommt der Fragestellerin dabei zu?
Entdecke mehr von Systemische Beratung & System-/Gesellschaftstheorie
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.