Archiv der Kategorie: Systemische Splitter

Klimawandel und Verlust von Naturvielfalt: Anmerkungen zu einer „Kompetenz der Transformations-Ohnmacht“


Wie kommt es, dass unsere heutige moderne Gesellschaft, obwohl – auch aufgrund der Digitalisierung – so viel Wissen um die Ursachen des Klimawandels sowie den Verlust an Naturvielfalt und die entsprechenden natur- und geowissenschaftlichen Konsequenzen vorhanden ist, sich so schwer tut, das dringend Notwendige zu tun und durch- bzw. umzusetzen? Zudem ist dieses Wissen auch gar nicht neu, sondern zum Teil schon seit Jahrzehnten vorhanden.

Es stellt sich somit also die Frage nach den grundlegenden Bedingungen für die diesbezügliche „Transformationsohnmacht“ – verbunden mit der Annahme, dass ein solches Bewusstsein in der Folge eine Kompetenz darstellen kann, um „mehr des Richtigen“ zu tun. Transformation ist unbedingt von der Gegenwart her zu betrachten. Diese bestimmt nämlich die Möglichkeiten, die mit der dringlichen Notwendigkeit vermittelt werden müssen.

Die funktional ausdifferenzierte Gesellschaft und das Fehlen von Zentralposition und -perspektive

Beginnen wir damit, dass die neuere soziologische Systemtheorie (Niklas Luhmann, 1927-1998) die Moderne als funktional differenzierte Gesellschaft versteht. Ökologische Ausblendungen sind hiermit der Eigenlogik der sozialen Teilsysteme (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, usw.) geschuldet, die je einem eigenen „Kodex“ folgen und sich – dabei maßlos – ausschließlich auf ihre Teilaufgabe fokussieren und das Ganze aus den Augen verlieren (müssen). So kommt zum Beispiel im Subsystem „Wirtschaft“ das Klima überhaupt nur deshalb vor, weil – durch die CO2-Bepreisung – damit Kosten verbunden sind, nicht aber die Biodiversität, denn diese hat keinen Preis und ist somit im Wirtschaftssystem irrelevant.

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Von Zwergkängurus und Medien: Ein paar Anmerkungen zu „einst und jetzt“ aus (vor allem) systemtheoretischer Sicht


Im Wohnzimmer um halb acht

Kennen Sie das noch? Vor nicht allzu langer Zeit sind die meisten von uns pünktlich um 19:30 Uhr vor dem Fernsehgerät gesessen (mit „sicherem“ Abstand zum Bildschirm, meist auf dem Sofa oder einem gemütlichen Stuhl) und haben uns an einem Ort (im Wohnzimmer) zur gleichen Zeit (um halb acht) mit derselben massenmedialen Hintergrundrealität (den „Nachrichten“ des öffentlich-rechlichen Rundfunks) versorgen lassen. Dort hat uns (ich bin Österreicher) lange Zeit Hugo Portisch „die Welt“ erklärt – und wir sind dieser „Instanz“ andächtig gefolgt und haben das Gesagte nicht weiter hinterfragt (da lag ein Latenzschutz drüber, das war außerdem ganz schön „wissenschaftlich“, also wahr – und zudem verständlich).

Das Subsystem der Massenmedien

Ein wenig systemischer vielleicht? Ok: Das gesellschaftliche Subsystem der Massenmedien ist mit sämtlichen gesellschaftlichen Subsystemen strukturell gekoppelt und erzeugt eine eigene Realität, die Hintergrundrealität genannt werden kann. Wofür ist das Subsystem „Massenmedien“ die Lösung? Für das Problem, dass die moderne Gesellschaft sich funktional in verschiedene Subsysteme ausdifferenziert hat und es seitdem keine übergeordnete „Ordnungsmacht“ mehr gibt (außer im Kriegsfall oder vielleicht im Anfangsstadium einer Pandemie). Dem Subsystem der Massenmedien nun ist es gelungen, die gesellschaftsgefährdende Partikularisierung, also das Auseinanderfallen der Gesellschaft, zu verhindern. Wie? Indem es operativ eine verbindliche Hintergrundrealität erzeugt hat – nach dem Kodex „aktuell/nicht aktuell“. Diese Hintergrundaktualität hat die Wahrnehmung in der Gesellschaft mit einem ausdifferenzierten System der daueraktiven Massenmedien überformt. Und ja: Auf ebendiese Hintergrundaktualität haben sich die einzelnen Subsysteme geeinigt – Massenmedien haben die Orientierung in der modernen Gesellschaft gesichert.

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Eine heitere Geschichte: Humor ist wirkmächtig


Die Szenerie: Ich sitze Zeitung lesend in einem Abteil einer alten Zuggarnitur, als ein Pärchen, das sich kurz vorher hier am Bahnhof getroffen hat, das Abteil betritt.

Er, groß und dünn, eine Brille weit vorne auf der Nase, wendet sich an sie, ebenfalls groß und eher kräftig gebaut, eine Vielzahl von Taschen in den Händen, und sagt in nasalem Tonfall: „Du, Schatzi, jetzt habe ich gerade fünf Euro in den Fahrkartenautomaten geworfen – und stell Dir vor, dieser dumme Automat hat sie einfach geschluckt und nicht registriert, dass ich sie schon bezahlt habe. Ich musste nochmals den gleichen Betrag einwerfen. Na, dem Schaffner werde ich gleich was erzählen!“.

Ich denke mir nur: „Das kann ja heiter werden“ und harre neugierig der Dinge, die jetzt folgen werden…

Sehr bald nach der Abfahrt erscheint der Schaffner, ein eher kleiner etwa fünfzigjähriger Mann mit Vollbart, und fragt nach den Fahrkarten. Mein Abteilskollege zückt seine „VorteilsCard“ sowei seinen Fahrschein und meint in Richtung des Zugbegleiters: „Sie, ich muss mich da gleich einmal beschweren bei Ihnen!“. Der Schaffner wirft einen Blick auf die Ermäßigungskarte des Fahrgasts und erwidert: „Bitte gerne, Herr Doktor“. Dieser erzählt sein Erlebnis mit dem Automaten und meint: „Heute habe ich also Ihrem Unternehmen fünf Euro geschenkt.

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Problemdiebstahl ist ein Eigentumsdelikt – und was ist hinter dem Kahlenberg?


Heute soll uns in aller nötiger Kürze die Neutralität gegenüber Problemrekonstruktionen von Kundinnensystemen – wir könnten auch von „Veränderungsneutralität“ sprechen – beschäftigen.

Respektvoll-ambivalente Haltung gegenüber Problemrekonstruktionen

Für einen systemisch-lösungsorientierten Berater empfiehlt es sich zunächst, eine neutrale Haltung hinsichtlich einer Veränderungsnotwendigkeit einzunehmen, jedenfalls so lange, bis ihm – beim „Wiener T-A-Z-A-Modell“ anlässlich der Klärung von Themen/Thema, Anliegen („positiver Dreh“), Ziel und Auftrag – ein klarer „Veränderungsjob“ seitens der Kundschaft erteilt worden ist.

Um eine respektvoll-ambivalente Haltung gegenüber Problemrekonstruktionen zu fördern sollte offen bleiben, ob die Beraterin das Problem für etwas „Gutes“ oder „Schlechtes“ hält, ob sie es „wegbekommen“ oder seinen Erhalt fördern will. Als Regel kann hilfreich sein, dass, um Veränderungen möglichst zu verhindern oder zu erschweren, versucht werden sollte, möglichst viel Druck in Richtung der von einem selbst bevorzugten „sinnvollen“ Veränderung („Lösung“) zu machen. Dies impliziert nämlich einerseits die Inkompetenz des Kundensystems und fördert andererseits dessen Abhängigkeit vom Berater.

Wohlverstandene Berater-Verantwortung

Jegliche Beeinflussungsintention von Beraterinnen gegenüber Kundschaften hat aus meiner Sicht die Konsequenz, dass bei Nichtgelingen eine „Beraterhaftung“ greift/greifen müsste, wobei dies hier nicht unbedingt juristisch gemeint ist – vielmehr sollten sich Beraterinnen bewusst sein, dass ihnen diesfalls ein gerüttelt Maß an Verantwortung zukommt (wiewohl wir ja davon ausgehen, dass lebende Systeme regelmäßig nicht instruierbar sind).

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Das Leben kann die Hölle sein, man muss sich nur genug anstrengen


Großes Unternehmen, Gemeinschaftsküche auf der dritten Etage, es ist Montag acht Uhr morgens, sechs Kolleginnen bzw. Kollegen stehen um die Kaffeemaschine herum, müde Gesichter, gerötete Augen, lümmelnde Haltung – Sie und ich sind als unsichtbare stille Beobachter mit dabei:

Mitarbeiter 1: „Schon wieder Montag, das Wochenende war wieder einmal verdammt kurz.“ Mitarbeiterin 2: „Und heute gleich drei anstrengende Termine, na die Woche fängt ja gut an.“ Mitarbeiterin 3: „Das Schlimme ist ja, dass es nicht besser wird, morgen steht ja die Betriebsversammlung an – und nächste Woche erst!“ Mitarbeiter 4: „Ja, ich sag´s Euch, schlechter wird´s, immer schlechter und schlechter.“ Mitarbeiterin 5: „Ich hab´s läuten hören, dass es dem Unternehmen gar nicht gut gehen soll, was soll das noch werden?“ Mitarbeiter 6: „Es war ja erst in den Nachrichten, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist, da werden wir noch alle dumm aus der Wäsche schauen.“ Mitarbeiterin 2: „Und die Lohnerhöhung fällt auch schwach aus.“ Mitarbeiter 4: „Wenn wir überhaupt eine bekommen.“ Mitarbeiter 1: „Ich sag´s Euch, uns hier trifft´s schneller als wir heute noch glauben.“ Mitarbeiterin 5: „Und immer mehr Arbeit und Stress haben wir auch, ständig wird mehr und mehr verlangt, wie sollen wir das schaffen?“ Mitarbeiterin 3: „Und habt Ihr von den jüngsten Finanzskandalen gehört – die Welt steht bestimmt nicht mehr lang…“

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Beratung als achtungsvolle wertschätzende Kooperation von kompetenten Kooperationspartnerinnen


Der Coach und seine Ideen
Im Rahmen des von uns veranstalteten „Praxislehrgang systemisch-lösungsorientiertes Coaching nach dem Wiener T-A-Z-A-Modell“ (dieser wird nun schon 20 Jahre lang ohne Unterbrechung in Wien durchgeführt – danke an alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer!) ist neulich die Frage aufgetaucht, inwieweit ein Coach (oder Psychotherapeut) eigene Ideen in die Beratung einbringen soll bzw. überhaupt „darf“.

Dies wurde im Rahmen der T-A-Z-A-Struktur beim zweiten A, dem Auftrag, thematisiert. Die „Leitfrage“ dabei an die Kundschaft ist: „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, damit Sie dieses Ziel erreicht haben werden?“

Hier geht es demnach um die Frage, welche Erwartungen der Kunde an die Coach hat, wie diese ihn bestmöglich auf dem Weg zur Zielerreichung (Erreichung des Ziels der Beratungseinheit) unterstützen kann. Oftmals äußert eine Kundschaft rasch diesbezügliche Vorstellungen (bzw. hat diese bereits im laufenden Gespräch eingebracht und wiederholt diese nunmehr), manchmal zeigen sich Kunden auf diese Frage hin auch verwundert und sagen dann etwa: „Das weiß ja ich nicht, das müssen Sie doch wissen, was Sie als Coach für mich tun können.“ Hier empfiehlt es sich, etwa wie folgt zu antworten: „Na da haben Sie recht – jetzt entscheiden Sie sich für ein Coaching und dann fragt die Beraterin auch noch, was ihr Job ist! Ich frage deshalb, weil manche Kunden mit konkreten Vorstellungen und Erwartungen kommen. Ich könnte Ihnen zum Beispiel anbieten…“.

Nach diesem freundlichen Begrüßen der Äußerung der Kundschaft sollten dann hilfreicherweise seitens des Coaches Angebote gemacht werden, beispielsweise „neue Perspektiven eröffnen“, „hinterfragen“, „ungewöhnliche Fragen stellen, die der Friseur nicht stellt“, „advocatus diaboli sein“, usw., um in der Folge wieder eine offene Frage an die Kundin zu stellen, welche Gedanken ihr jetzt nach dem Gehörten gekommen sind, wie eine hilfreiche Unterstützung aussehen könnte.

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Bin ich vom Universum getrennt? Bin ich Teil des Universums?


Epilog

Die ökologische Krise ist in aller Munde. Aufgeworfene Endzeitszenarien sind real, leiden aber auch unter Ausblendungen. Diese ökologischen Ausblendungen sind der Eigenlogik der sozialen Teilsysteme (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, usw.) geschuldet, die sich – dabei maßlos – je auf ihre Teilaufgabe fokussieren und das Ganze aus den Augen verlieren (müssen). Die ökologischen Ausblendungen stellen eine bedrohliche Herausforderung der Gegenwart, wenn nicht die bedrohlichste, dar – und damit die Problematik, an der sich das Schicksal der Demokratien entscheiden wird.

Leseempfehlungen

An dieser Stelle schon möchte ich Ihnen fünf Bücher empfehlen, die meinen Sommer bislang geprägt haben und deren Inhalte in ihrer Zusammenschau aus meiner Sicht sehr gut geeignet sind, die Komplexität des Themas abzubilden:

1) Nassehi, A.: „Kritik der großen Geste. Anders über gesellschaftliche Transformation nachdenken“, Verlag C.H.Beck, München, 2024

2) Simon, F. B.: „Anleitung zum Populismus oder: Ergreifen Sie die Macht!“, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2. Aufl. 2024

3) Simon, F. B.: „Die kommenden Diktaturen. Ein Worst-Case-Szenario“, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2024

4) Wiegandt, K. (Hrsg.): „3 Grad mehr – ein Blick in die drohende Heißzeit und wie die Natur helfen kann, sie zu verhindern“, oekom verlag, München, 2022

5) Willke, H.: „Klimakrise und Gesellschaftstheorie. Zu den Herausforderungen und Chancen globaler Umweltpolitik“, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2023 – vgl. dazu auch den empfehlenswerten Beitrag in Östermanns Blog

Dringliche Notwendigkeit und Möglichkeit

Die moderne Gesellschaft ist sehr leistungsfähig, wenn es um konkrete Aufgaben geht, sie stellt sich in ihren ausdifferenzierten Teilen als hoch kreativ und an Formen vielfältig dar. Die andere Seite dieser Medaille ist, dass diese spezialisierte Leistungsfähigkeit mit der Entfernung der Teile voneinander einhergeht. Die moderne Gesellschaft zeigt demnach Schwäche, wenn es um die Koordination, die Integration und die Kollektivierung der unterschiedlichen Teile geht.

Hervorzuheben ist dabei der Fehlschluss von der dringlichen Notwendigkeit auf die Möglichkeit: Die Naturwissenschaften weisen seit einigen Jahrzehnten schon auf die dringliche Notwendigkeit der weiteren Vermeidung von CO2-Ausstoß hin – eigentlich ein „einfaches“ Ziel, denn es geht um einen einzigen Parameter. Ausgeklammert bleibt jedoch die Frage nach den gesellschaftlichen Transformationsbedingungen. Es kann noch so sehr mit höchstem Engagement, drastischer Sprache, umfassenden Forderungen und großen Gesten auf Willen, Einsicht und Einstellung – also schließlich auf Überzeugung – gezielt werden. All dies trifft jedoch auf die Widerständigkeit und Trägheit sowie auf den Eigensinn sozialer Systeme. Eine wichtige Frage ist sohin, wie Strategien in einer Gesellschaft, die schon da ist, Wirkungen über die rein kommunikative Provokation hinaus entfalten können. Es geht dabei um das Rechnen mit Trägheit und Selbstreferenz, mit eigensinnigen Prozessen und der kybernetischen Form der Rekursivität. Mit der Gesellschaft zu rechnen, die da ist, heißt aber nicht, alles so belassen zu wollen, wie es ist. Es geht vielmehr darum, die gesellschaftsinternen Strukturen, Chancen und Risiken sowie Gefahren zu betrachten und Transformation von der Gegenwart her zu betrachten – denn sie bestimmt die Möglichkeiten, die mit der dringlichen Notwendigkeit vermittelt werden müssen.

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Exakter Ausgleich trennt: Eine Geschichte vom Bazar in Tunis


Systemische Ausgleichsprinzipien – Ausgleich zwischen Geben und Nehmen

Seit längerer Zeit schon beschäftige ich mich mit/beschäftigen mich systemische Ausgleichsprinzipien (vgl. auch den Beitrag „Systemische Ausgleichsprinzipien und ökonomischer Schuldbegriff“). Im Rahmen meiner Beratungsarbeit bin ich oftmals über deren praktische Relevanz – insbesondere in Konflikt(auflösungs)systemen – erstaunt.

Diese Prinzipien finden sich zu einem Gutteil bereits in den „Geschichten der Chassidim“ (vgl. etwa Martin Buber: „Die Erzählungen der Chassidim“ oder „Die Geschichten des Rabbi Nachman“, etc.) sowie bei Iván Böszörményi-Nagy (der unter anderem den Begriff der „vielgerichteten Parteilichkeit“ – der als „Allparteilichkeit“ Eingang in die Literatur gefunden hat – geprägt hat). Sie wurden in der Folge unter anderem von Bert Hellinger aufgenommen und schließlich im Rahmen der SySt-Arbeit (Systemische Strukturaufstellungsarbeit) von Matthias Varga von Kibéd maßgeblich weiterentwickelt und ergänzt.

Ökonomische Umdeutung von „Schuld“ in „Schulden“

Grundlegend für die Genese systemischer Ausgleichsprinzipien ist die ökonomische Umdeutung ethischer Begriffe: „Schuld“ wird in „Schulden“ umgedeutet, anstelle von „Gut-Böse“ bzw. „Richtig-Falsch“ geht es um „Ausgleichsbedürftigkeit“ bzw. „Ausgleichsverpflichtung“. Fragen wie etwa „Was war die Ursache?“, „Wer war woran schuld?“, „Was ist richtig?“ oder „Wer hat recht?“ werden dabei „ersetzt“ durch „Worin könnte ein gelungener (annehmbarer) Ausgleich bestehen?“

An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass dem Prinzip „Der eigentliche Ausgleich liegt in der Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung“ eine zentrale Rolle in der Deeskalierung von Konflikten zukommen kann, ja meiner Erfahrung nach erlittenen Gesichtsverlust „zum Besseren wenden“ und dadurch Lösung(en)orientierung befördern kann.

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Umwege können die Ortskenntnis erhöhen…


Heute habe ich es wieder einmal geschafft, mir einen Umweg zu gönnen – unfreiwillig, das gebe ich gerne zu: Auf dem Weg von einem gemeinsamen Frühstück mit einem lieben Freund wollte ich noch rasch in ein Sportgeschäft, um nach neuen Laufschuhen Ausschau zu halten (meine derzeitigen sind schon eine Zumutung für meine Füße). Zu meinem großen Ärger stand „Wegen Inventur heute geschlossen“ an der Tür. Und dann bin ich – keine Ahnung wie – in ein Geflecht von kleinen Gassen gekommen, wollte dann auch nicht umkehren und ging so etwa in der Richtung der von mir benötigten Straßenbahnhaltestelle weiter.

Was soll ich sagen: Der zusätzliche Zeitaufwand – richtiger die zusätzliche zeitliche Investition – hat in etwa 45 Minuten betragen. Vielleicht schütteln Sie jetzt den Kopf und halten mich für einen verwirrten Kerl. Doch kommen wir zur Umwegrentabilität (was für ein feines Wort in diesem Zusammenhang): Ich habe nämlich aufgrund meines Umwegs ein kleines Antiquariat entdeckt und dort überaus günstig eine Ausgabe von Martin Bubers Werk „Das dialogische Prinzip“ aus dem Jahr 1973 erstanden, ein kleines Geschäft mit originellen Postkarten in der Auslage (leider wegen Sommerferien geschlossen) aufgespürt und einen hervorragenden Espresso in einem mir bis dato unbekannten Cafe genossen.

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Systemisch oder was?


An mich wurde das Ersuchen herangetragen, möglichst kurz und bündig darzustellen, welche Implikationen die systemische Theorie/systemische Theorien für meine Arbeit als systemisch-lösungsorientierter Berater haben. Ob ich das kurz und bündig schaffen werde, sei einmal dahingestellt, aber es ist jedenfalls einen Versuch wert, selbstverständlich ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Pragmatischer Ansatz

Eingangs ist mir sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass für mich eine Theorie keinen Wert an und für sich hat, sondern diesen erst dadurch erlangt, dass sie sich in der Praxis als hilfreich erweist. Es gilt zudem: Theoretische Inhalte, Form (etwa Struktur und Setting) sowie Haltung und Menschenbild sind mehrere Seiten ein und derselben Medaille. „Ein bisschen systemisch“ geht genausowenig wie „ein bisschen schwanger“ – dies schließt integrative Ansätze keinesfalls aus, doch lassen sich hierbei auch Grenzen (vor allem hinsichtlich Haltung und Menschenbild) ziehen.

Systemisch – eine mögliche Annäherung

Stellen Sie sich vor, Sie platzieren eine Anzeige in einer Tageszeitung, um der interessierten Leserinnen- und Leserschaft den Beginn einer systemischen Konfliktbearbeitungsfortbildung kund zu tun und erhalten am Tag des Erscheinens einen Anruf, „was denn bitte genau mit einer >systematischen Meditationsausbildung< gemeint ist?“, gefolgt von mehreren erbosten Statements von Meditationslehrerinnen und -lehrern, welchen Unsinn wir uns denn da ausgedacht hätten. So geschehen kurz vor der Jahrtausendwende, vor dem großen „systemischen Hype“ in Beratung, Führung, usw. Heutzutage erkennen Rechtschreibprogramme sowohl „systemisch“ als auch „Mediation“ und korrigieren diese nicht mehr automatisch.

Seitdem hat sich einerseits viel Positives getan, andererseits hat sich dermaßen Vieles als „systemisch“ etikettiert, sodass ich mittlerweile ganz froh bin, dass diese Mode meiner Beobachtung nach langsam wieder im Abklingen begriffen ist – allmählich lässt es sich wieder unaufgeregter und ruhiger systemisch arbeiten. Zu oft habe ich in den letzten Jahren von „klassischen Maschinenmodell-Beraterinnen und -Beratern“ gehört, dass sie bei Nachfrage seitens potenzieller Auftraggeberinnen und -gebern ins Treffen geführt hätten, „das Systemische klarerweise bei Bedarf auch >drauf zu haben<“, womit häufig das Verwenden unterschiedlicher ziel- und lösungsorientierter Fragetechniken gemeint war. Gleich geblieben ist die Anforderung, die/eine Bedeutung des Wörtchens „systemisch“ so zu vermitteln, dass dazu weder eine (mehrsemestrige) Vorlesung über das Werk von Niklas Luhmann erforderlich ist noch mittels einer esoterisch anmutenden „Alles ist mit allem vernetzt“-Floskel operiert wird.

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