Archiv der Kategorie: Splitter 08/2024

Das Leben kann die Hölle sein, man muss sich nur genug anstrengen


Großes Unternehmen, Gemeinschaftsküche auf der dritten Etage, es ist Montag acht Uhr morgens, sechs Kolleginnen bzw. Kollegen stehen um die Kaffeemaschine herum, müde Gesichter, gerötete Augen, lümmelnde Haltung – Sie und ich sind als unsichtbare stille Beobachter mit dabei:

Mitarbeiter 1: „Schon wieder Montag, das Wochenende war wieder einmal verdammt kurz.“ Mitarbeiterin 2: „Und heute gleich drei anstrengende Termine, na die Woche fängt ja gut an.“ Mitarbeiterin 3: „Das Schlimme ist ja, dass es nicht besser wird, morgen steht ja die Betriebsversammlung an – und nächste Woche erst!“ Mitarbeiter 4: „Ja, ich sag´s Euch, schlechter wird´s, immer schlechter und schlechter.“ Mitarbeiterin 5: „Ich hab´s läuten hören, dass es dem Unternehmen gar nicht gut gehen soll, was soll das noch werden?“ Mitarbeiter 6: „Es war ja erst in den Nachrichten, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist, da werden wir noch alle dumm aus der Wäsche schauen.“ Mitarbeiterin 2: „Und die Lohnerhöhung fällt auch schwach aus.“ Mitarbeiter 4: „Wenn wir überhaupt eine bekommen.“ Mitarbeiter 1: „Ich sag´s Euch, uns hier trifft´s schneller als wir heute noch glauben.“ Mitarbeiterin 5: „Und immer mehr Arbeit und Stress haben wir auch, ständig wird mehr und mehr verlangt, wie sollen wir das schaffen?“ Mitarbeiterin 3: „Und habt Ihr von den jüngsten Finanzskandalen gehört – die Welt steht bestimmt nicht mehr lang…“

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Beratung als achtungsvolle wertschätzende Kooperation von kompetenten Kooperationspartnerinnen


Der Coach und seine Ideen
Im Rahmen des von uns veranstalteten „Praxislehrgang systemisch-lösungsorientiertes Coaching nach dem Wiener T-A-Z-A-Modell“ (dieser wird nun schon 20 Jahre lang ohne Unterbrechung in Wien durchgeführt – danke an alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer!) ist neulich die Frage aufgetaucht, inwieweit ein Coach (oder Psychotherapeut) eigene Ideen in die Beratung einbringen soll bzw. überhaupt „darf“.

Dies wurde im Rahmen der T-A-Z-A-Struktur beim zweiten A, dem Auftrag, thematisiert. Die „Leitfrage“ dabei an die Kundschaft ist: „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, damit Sie dieses Ziel erreicht haben werden?“

Hier geht es demnach um die Frage, welche Erwartungen der Kunde an die Coach hat, wie diese ihn bestmöglich auf dem Weg zur Zielerreichung (Erreichung des Ziels der Beratungseinheit) unterstützen kann. Oftmals äußert eine Kundschaft rasch diesbezügliche Vorstellungen (bzw. hat diese bereits im laufenden Gespräch eingebracht und wiederholt diese nunmehr), manchmal zeigen sich Kunden auf diese Frage hin auch verwundert und sagen dann etwa: „Das weiß ja ich nicht, das müssen Sie doch wissen, was Sie als Coach für mich tun können.“ Hier empfiehlt es sich, etwa wie folgt zu antworten: „Na da haben Sie recht – jetzt entscheiden Sie sich für ein Coaching und dann fragt die Beraterin auch noch, was ihr Job ist! Ich frage deshalb, weil manche Kunden mit konkreten Vorstellungen und Erwartungen kommen. Ich könnte Ihnen zum Beispiel anbieten…“.

Nach diesem freundlichen Begrüßen der Äußerung der Kundschaft sollten dann hilfreicherweise seitens des Coaches Angebote gemacht werden, beispielsweise „neue Perspektiven eröffnen“, „hinterfragen“, „ungewöhnliche Fragen stellen, die der Friseur nicht stellt“, „advocatus diaboli sein“, usw., um in der Folge wieder eine offene Frage an die Kundin zu stellen, welche Gedanken ihr jetzt nach dem Gehörten gekommen sind, wie eine hilfreiche Unterstützung aussehen könnte.

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Bin ich vom Universum getrennt? Bin ich Teil des Universums?


Epilog

Die ökologische Krise ist in aller Munde. Aufgeworfene Endzeitszenarien sind real, leiden aber auch unter Ausblendungen. Diese ökologischen Ausblendungen sind der Eigenlogik der sozialen Teilsysteme (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, usw.) geschuldet, die sich – dabei maßlos – je auf ihre Teilaufgabe fokussieren und das Ganze aus den Augen verlieren (müssen). Die ökologischen Ausblendungen stellen eine bedrohliche Herausforderung der Gegenwart, wenn nicht die bedrohlichste, dar – und damit die Problematik, an der sich das Schicksal der Demokratien entscheiden wird.

Leseempfehlungen

An dieser Stelle schon möchte ich Ihnen fünf Bücher empfehlen, die meinen Sommer bislang geprägt haben und deren Inhalte in ihrer Zusammenschau aus meiner Sicht sehr gut geeignet sind, die Komplexität des Themas abzubilden:

1) Nassehi, A.: „Kritik der großen Geste. Anders über gesellschaftliche Transformation nachdenken“, Verlag C.H.Beck, München, 2024

2) Simon, F. B.: „Anleitung zum Populismus oder: Ergreifen Sie die Macht!“, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2. Aufl. 2024

3) Simon, F. B.: „Die kommenden Diktaturen. Ein Worst-Case-Szenario“, Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 2024

4) Wiegandt, K. (Hrsg.): „3 Grad mehr – ein Blick in die drohende Heißzeit und wie die Natur helfen kann, sie zu verhindern“, oekom verlag, München, 2022

5) Willke, H.: „Klimakrise und Gesellschaftstheorie. Zu den Herausforderungen und Chancen globaler Umweltpolitik“, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 2023 – vgl. dazu auch den empfehlenswerten Beitrag in Östermanns Blog

Dringliche Notwendigkeit und Möglichkeit

Die moderne Gesellschaft ist sehr leistungsfähig, wenn es um konkrete Aufgaben geht, sie stellt sich in ihren ausdifferenzierten Teilen als hoch kreativ und an Formen vielfältig dar. Die andere Seite dieser Medaille ist, dass diese spezialisierte Leistungsfähigkeit mit der Entfernung der Teile voneinander einhergeht. Die moderne Gesellschaft zeigt demnach Schwäche, wenn es um die Koordination, die Integration und die Kollektivierung der unterschiedlichen Teile geht.

Hervorzuheben ist dabei der Fehlschluss von der dringlichen Notwendigkeit auf die Möglichkeit: Die Naturwissenschaften weisen seit einigen Jahrzehnten schon auf die dringliche Notwendigkeit der weiteren Vermeidung von CO2-Ausstoß hin – eigentlich ein „einfaches“ Ziel, denn es geht um einen einzigen Parameter. Ausgeklammert bleibt jedoch die Frage nach den gesellschaftlichen Transformationsbedingungen. Es kann noch so sehr mit höchstem Engagement, drastischer Sprache, umfassenden Forderungen und großen Gesten auf Willen, Einsicht und Einstellung – also schließlich auf Überzeugung – gezielt werden. All dies trifft jedoch auf die Widerständigkeit und Trägheit sowie auf den Eigensinn sozialer Systeme. Eine wichtige Frage ist sohin, wie Strategien in einer Gesellschaft, die schon da ist, Wirkungen über die rein kommunikative Provokation hinaus entfalten können. Es geht dabei um das Rechnen mit Trägheit und Selbstreferenz, mit eigensinnigen Prozessen und der kybernetischen Form der Rekursivität. Mit der Gesellschaft zu rechnen, die da ist, heißt aber nicht, alles so belassen zu wollen, wie es ist. Es geht vielmehr darum, die gesellschaftsinternen Strukturen, Chancen und Risiken sowie Gefahren zu betrachten und Transformation von der Gegenwart her zu betrachten – denn sie bestimmt die Möglichkeiten, die mit der dringlichen Notwendigkeit vermittelt werden müssen.

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