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Exakter Ausgleich trennt: Eine Geschichte vom Bazar in Tunis


Systemische Ausgleichsprinzipien – Ausgleich zwischen Geben und Nehmen

Seit längerer Zeit schon beschäftige ich mich mit/beschäftigen mich systemische Ausgleichsprinzipien (vgl. auch den Beitrag „Systemische Ausgleichsprinzipien und ökonomischer Schuldbegriff“). Im Rahmen meiner Beratungsarbeit bin ich oftmals über deren praktische Relevanz – insbesondere in Konflikt(auflösungs)systemen – erstaunt.

Diese Prinzipien finden sich zu einem Gutteil bereits in den „Geschichten der Chassidim“ (vgl. etwa Martin Buber: „Die Erzählungen der Chassidim“ oder „Die Geschichten des Rabbi Nachman“, etc.) sowie bei Iván Böszörményi-Nagy (der unter anderem den Begriff der „vielgerichteten Parteilichkeit“ – der als „Allparteilichkeit“ Eingang in die Literatur gefunden hat – geprägt hat). Sie wurden in der Folge unter anderem von Bert Hellinger aufgenommen und schließlich im Rahmen der SySt-Arbeit (Systemische Strukturaufstellungsarbeit) von Matthias Varga von Kibéd maßgeblich weiterentwickelt und ergänzt.

Ökonomische Umdeutung von „Schuld“ in „Schulden“

Grundlegend für die Genese systemischer Ausgleichsprinzipien ist die ökonomische Umdeutung ethischer Begriffe: „Schuld“ wird in „Schulden“ umgedeutet, anstelle von „Gut-Böse“ bzw. „Richtig-Falsch“ geht es um „Ausgleichsbedürftigkeit“ bzw. „Ausgleichsverpflichtung“. Fragen wie etwa „Was war die Ursache?“, „Wer war woran schuld?“, „Was ist richtig?“ oder „Wer hat recht?“ werden dabei „ersetzt“ durch „Worin könnte ein gelungener (annehmbarer) Ausgleich bestehen?“

An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass dem Prinzip „Der eigentliche Ausgleich liegt in der Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung“ eine zentrale Rolle in der Deeskalierung von Konflikten zukommen kann, ja meiner Erfahrung nach erlittenen Gesichtsverlust „zum Besseren wenden“ und dadurch Lösung(en)orientierung befördern kann.

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Das Gewissen als systemisches Gleichgewichtsorgan – Teil 2


Zum 1. Teil des Beitrags

Das Gewissen als Konstruktionsleistung

Diese Regeln und Normen sind nicht objektiv gegeben, es sind vielmehr Konstruktionen, die der/die Einzelne wahrzunehmen meint, die er bzw. sie subjektiv für die Wirklichkeit hält. Für das menschliche Gewissen sind also Normen und Regeln ausschlaggebend, die der/die Einzelne zu seinen bzw. ihren „gemacht“ hat, die er/sie verinnerlicht hat – diese werden sich von etwa geschriebenen „objektiven“ Regeln/Normen unterscheiden, welche demnach nur Umweltanregungen für ihn/sie darstellen. Das autonome System „Mensch“ entscheidet selbst darüber, wie es das Regel-Set konstruiert und die Umweltanregungen unterschiedlicher Umweltsysteme zu einem einzigartigen „Gewissen“ kombiniert.

Die Stärke der Bindung

Wovon hängt die Stärke der Loyalitäts- und Gewissensbindung ab? Als Faktoren können etwa wie folgt identifiziert werden: Der Grad der erlebten Abhängigkeit von dem betreffenden Zugehörigkeitssystem, der Grad der Identifikation mit den Regeln und Normen desselben, das Ausmaß der erlebten Aufwertung durch die Mitgliedschaft zum betreffenden System, die Intensität der Beziehungen zwischen den Systemmitgliedern, die Identifikation mit den System-Zielen, usw.

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Das Gewissen als systemisches Gleichgewichtsorgan – Teil 1


In einem meiner letzten Coachings wurde seitens meines Kunden schon eingangs sein „schlechtes Gewissen“ (keyword) thematisiert. Möglicherweise können die nachstehenden kurzen Ausführungen in Beratungsprozessen hilfreich sein, sei es als offen zu legendes „Metakommunikationsangebot“, sei es, um daraus passgenaue Methoden bzw. „Werkzeuge“ zu entwickeln:

Doppelte systemische Natur

Jeder Mensch zeichnet sich durch eine „doppelte systemische Natur“ aus – einerseits ist er existenziell bezogen auf andere Menschen und verspürt den Drang, Teil einer menschlichen Gemeinschaft zu sein – andererseits lässt er sich als autopoietisches, also sich selbst produzierendes und organisierendes, System beschreiben, dessen innere Organisation nicht unmittelbar an seine Kontextbedingungen gekoppelt ist.

Zwischen Autonomie und Loyalität – die zentrale Aporie

Jeder Mensch befindet sich/oszilliert also prinzipiell ständig in einer Ambivalenzposition/zwischen Autonomie und Loyalität. Dies lässt sich als das zentrale Dilemma der menschlichen Existenz bezeichnen.

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